this post was submitted on 25 Jun 2023
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[–] vanZuider@feddit.de 37 points 1 year ago (3 children)

Die AfD nimmt ökonomische Ängste auf und verwandelt sie in eine kulturelle Gefahr, in der es nicht mehr allein um das Portemonnaie, sondern die Lebensweise und Identität von Menschen geht, die „asylgeflutet“ oder „ökodiktatorisch“ ausgetauscht werden sollen.

Es ist ja nicht so, dass die AfD sich das zu 100% ausdenkt. Es gibt genug O-Töne von linker Seite, die einen Kulturwandel hin zu einer multikulturellen Gesellschaft, einer "Willkommenskultur", einer vegetarischen Ernährung etc. ausdrücklich begrüßen und einfordern.

Ich denke, das ist ein struktureller Nachteil von Linken gegenüber Konservativen: sie sind zu intellektuell und reflektieren die Folgen ihres Handelns zu stark. Gesellschaften verändern sich unweigerlich, und auch Konservative können eine Gesellschaft durch tiefgreifende Veränderungen führen; im Gegensatz zu Linken reden sie einfach nicht groß darüber.

Wenn die Lebensmittelpreise irgendwann den Ressourcenverbrauch ihrer Produktion reflektieren, weil die Konservativen keinen Bock mehr haben, mit ihren Steuergeldern die Landwirtschaft zu subventionieren, wenn man für das Geld auch die Armee aufrüsten oder internationale Industriekonzerne anlocken könnte, wird Fleisch automatisch zum unerschwinglichen Luxusgut für viele Menschen. Und je mehr man sich etwas eh nicht leisten kann, umso leichter fällt es einem auch, es moralisch zu verurteilen. Irgendwann ist eine neue Generation da, für die "war das schon immer so", und die Position, dass Fleisch unnötig und unmoralisch sei, ist die neue konservative Position.

Linke dagegen denken über den kulturellen Effekt der ökonomischen Veränderung nach, und stellen diesen dann an erste Stelle. Die Leute sollen sich jetzt schon daran gewöhnen, dass Fleisch schlecht ist, damit der Wandel hin zu einer pflanzenbasierten Landwirtschaft umso leichter fällt. Das mag für einige Leute funktionieren, aber für die meisten Leute ist Veränderung etwas furchteinflößendes, und die beste Chance, sie für Veränderung zu gewinnen, ist, die Veränderung so zu gestalten, dass sie sie erst bemerken, wenn sie sich schon so daran gewöhnt haben, dass ein "zurück zur alten Ordnung" ein genauso furchteinflößender Wandel ist; nicht, indem man ihnen predigt, dass sie sich ändern müssen.

[–] pragmatick@feddit.de 8 points 1 year ago (1 children)

Die Linke (nicht die Partei) schafft es nicht ausreichend, Änderungen positiv zu besetzen. Aufhalt des Klimawandels durch Verzicht wird immer nur als solcher vermittelt - dass sich daraus positive Effekte ergeben können wie bessere Luft und weniger Lärm in den Städten, weniger brutale Hitze, Gesundheit etc wird dabei nicht ausreichen betont oder geht unter.

[–] Spzi@lemm.ee 3 points 1 year ago

Hab das schon oft gesehen, aber ist halt langweilig und manchmal etwas fragwürdig.

Fragwürdig, weil 'Ist das eine zu einseitige Darstellung? Wie realistisch ist die Einschätzung?'

Langweilig, weil im besten Fall gibt's ein lächelndes Nicken und mehr passiert nicht.

Wenn hingegen jemand einen Nachteil oder eine Schwachstelle findet, geht die Party los. Dann werden wahlweise Argumente oder Emotionen ausgepackt, es gibt jedenfalls Action.

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[–] lulztard@feddit.de 27 points 1 year ago* (last edited 1 year ago) (1 children)

NSDAP ist ja auch schon wieder über 80 Jahre her, da kann man schonmal vergessen zu was allem ultranrechtsnationalistischer Faschismus so führen kann.

Oder man hat gar nichts vergessen und den Leuten graut es einfach vor gar nichts.

[–] Quacksalber@sh.itjust.works 1 points 1 year ago

Ich betrachte die Lage aus einer historischen Sicht. Grob betrachtet, befinden sich viele Kulturen in einem Zyklus des wachsens und des schrumpfens. Das wachsen verläuft miest friedlich, das schrumpfen meist im Verbund mit Gewalt. Die Kultur wächst bist der Lebensraum sie nicht mehr tragen kann. Und wenn die Resourcen knapp werden, dann wird sich ein Feindbild gesucht, gekämpft und geblutet bis die Kultur wieder klein genug ist, um vom Lebensraum getragen werden zu können. Das hat weniger was mit "Die Leute haben vergessen wie schlimm die Nazizeit war", sondern mehr mit dem grundsätzlichen Problem, dass der Mensch immer noch nicht gelernt hat, mit seinen animalischen Ängsten umzugehen.

[–] gajustempus@feddit.de 21 points 1 year ago (6 children)

ich denke nicht, dass wir "nur" ein demokratisches Problem haben. Es ist in Wahrheit ein viel größeres, gesellschaftliches Problem:

  • Insbesondere die wenig gebildeten Menschen bekommen viele Kinder, während die Hochqualifizierten mit dem Kinderkriegen tendenziell eher warten bzw. es sogar komplett lassen. Damit wächst der Bereich der eher wenig Qualifizierten Leute sehr stark an. Im Ergebnis "verdummen" wir somit eher (klar, es gibt auch Fälle, wo jemand aus solchen, familiären Verhältnissen eine gesellschaftlich gute Position ergattert. Ist aber eher die Ausnahme als die Regel).

  • Gesellschaftliche Regeln werden zunehmend abgelehnt. Das fängt schon bei Dingen wie dem Straßenverkehr an (rote Ampel? Vorfahrt? Tempolimit? Überholverbot? Rechtsfahrgebot? Ist nur für die anderen da) und mündet dann halt in Sachen wie einem erschossenen Tankwart, der nur auf die geltende Maskenpflicht hinweisen wollte. Das Schlimme: Jene, die diese Regeln, die das gesellschaftliche Miteinander organisieren sollten, werden teils noch für ihren "Mut" bejubelt.

  • das ganze Thema Fakten versus "gefühlte Wahrheit". Wissenschaftlichen Evidenzen wird weniger Glauben geschenkt als irgendwelchen Pfuschern im Netz. Die Menschen glauben lieber die Lüge, als sich mit der Wahrheit auseinander zu setzen.

Das eine Partei, die erwiesenermaßen NICHTS an Lösungen zu bieten hat und die im Kern NUR daraus besteht, gegen alles zu sein, destruktiv zu sein und unsere gesellschaftliche Grundordnung zerlegen will, Zuspruch bekommt, ist lediglich die logische Konsequenz dessen, dass in der Gesellschaft etwas von innen nach außen rottet. Und nein, wir Deutschen sind da gewiss nicht die einzigen. Das ist ein Phänomen, das man weltweit beobachten kann.

[–] Quacksalber@sh.itjust.works 17 points 1 year ago (1 children)

Meiner Meinung nach werden die Gründe für das Schwächeln der Demokratie hier fehlinterpretiert. Mir kommt es eher so vor, dass der Kapitalismus™ sein Endstadium erreicht. Die Vermögenswerte gehen immer weiter auseinander, die verfügbaren Resourcen (das Geld) werden knapp. Das triggert in den Menschen das animalische Bedürfniss die noch verfügbaren Resourcen gegen "die Anderen" zu verteidigen und möglichst für die eigene Gruppe zu sichern. "Die Anderen" können dabei alle möglichen Gruppierungen sein. Ausländer, Wessis, Die da Oben, die linksgrün Versifften und so weiter. Auf rationale Argumente oder einen einvernehmlichen Umgang wird nicht mehr geachtet, weil diese als Versuch der Anderen interpretiert werden, die eigene Gruppe zu kontrollieren.

Meiner Meinung nach braucht es stärkere Umverteilungsmechanismen, um diesen Leuten zu verdeutlichen, dass nicht von ihnen erwartet wird, sich für andere zu opfern. Wenn das nicht gelingt, dann wird man auch langfristig nicht die nötigen Mehrheiten finden um größere Probleme anzugehen, wie den Klimawandel oder das Erstarken authoritärer Regime um die Welt.

[–] klausi@feddit.de 8 points 1 year ago

Volle Zustimmung. Solange wir den Kapitalismus ungezügelt flattern lassen, werden dessen Mechanismen die Gesellschaft weiter spalten und somit von innen zerfressen.

[–] GalataBridge@feddit.de 14 points 1 year ago* (last edited 1 year ago) (2 children)

Insbesondere die wenig gebildeten Menschen bekommen viele Kinder, während die Hochqualifizierten mit dem Kinderkriegen tendenziell eher warten bzw. es sogar komplett lassen.

Ist das so? In meiner "Akademiker-Bubble" ist bei vielen Paaren gerade das zweite Kind auf die Welt gekommen und auch sonst steht bei jedem Paar, das ich kenne, Kinderplanung an. Ich kann mir bei ärmeren Schichten nicht vorstellen, dass mehr als zwei Kinder "produziert" werden, denn dann scheitert es am Lebenshaltungskosten + Wohnraum, den man sich nicht mehr leisten kann.

Gesellschaftliche Regeln werden zunehmend abgelehnt. Das fängt schon bei Dingen wie dem Straßenverkehr an

Kann ich absolut nicht feststellen. Und der erschossene Tankwart ist (zum Glück) wirklich ein ganz krasser Einzelfall. Daraus eine gesellschaftliche Tendenz herzuleiten finde ich zu weit her geholt.

das ganze Thema Fakten versus “gefühlte Wahrheit”. Wissenschaftlichen Evidenzen wird weniger Glauben geschenkt als irgendwelchen Pfuschern im Netz.

Zustimmung hier. Ergänzen würde ich noch dazu die absolut schädlichen Algorithmen der sozialen Medien, die einen noch viel tiefer in dieses Loch treiben. Kaum hat man einmal ein Video eines AfD-freundlichen Kanals angeschaut, werden einem nur noch solche Videos vorgeschlagen.

[–] gapbetweenus@feddit.de 13 points 1 year ago (2 children)

Interessant das ihr beide einig seid wie Fakten vs. gefühlte Wahrheiten ein Problem sind, und trotzdem rein auf der Eben von gefühlten Wahrheiten bleibt.

[–] GalataBridge@feddit.de 3 points 1 year ago (1 children)

Ich weiß. Um es daher zu betonen: Ja, sind anekdotische Erfahrungen. Vielleicht macht sich jemand anders die Mühe, offizielle Statistiken rauszufischen ;-)

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[–] oliver@lemmy.ca 1 points 1 year ago* (last edited 1 year ago) (1 children)

Ich hab jetzt nicht den Nerv, meine Quellen aus dem Studium noch einmal zu durchwühlen - aber die neoliberalen Reformen haben ihren Zweck da schon nicht verfehlt. Das Elterngeld wurde genau dazu eingeführt, Transferleistungen soweit möglich zu limitieren, während der Verbleib bzw. die ratzfatz-Wiedereinkehr in die Vollzeit-Arbeit gefördert wird.

Während die Geburtenziffer lange stagnierte, ging sie von nach der Reform von 2007 um 0,2 nach oben, was nicht wenig ist. Und diese Steigerung erfolgte praktisch ausschließlich bei wohlhabenden Familien, die man mit dem Reformpaket auch erreichen wollte.

Das sozialdarwinistischen Armutsbashing, welches von @gajustempus@feddit.de gepredigt wird, kann man sich längst schenken - denn das gewünschte Signal, dass Leute nur dann Kinder in die Welt setzen, wenn sie auf staatliche Leistungen soweit möglich verzichten, das wurde längst in die Praxis umgesetzt.

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[–] Kairyu@feddit.de 7 points 1 year ago (1 children)

Der erste Punkt stammt aus Idiocracy bzw. wird dort aufgegriffen. Stimmt aber auch mit meiner Bubble nicht überein

[–] Guildo@feddit.de 1 points 1 year ago (2 children)

Ich würd sogar sagen, dass es umgekehrt ist. Reiche können sich Kinder leisten. Auch wenn ich welche haben möchte und einen hohen Bildungsgrad besitze, könnte ich mir momentan ums verrecken keine leisten. Die Realität ist komplexer, als simple Floskeln.

[–] vanZuider@feddit.de 1 points 1 year ago

Auch wenn ich welche haben möchte und einen hohen Bildungsgrad besitze, könnte ich mir momentan ums verrecken keine leisten.

[–] vanZuider@feddit.de 1 points 1 year ago (1 children)

Reiche können sich Kinder leisten. Auch wenn ich welche haben möchte und einen hohen Bildungsgrad besitze, könnte ich mir momentan ums verrecken keine leisten.

Du hast einfach zu viel Verantwortungsbewusstsein dafür, in deiner momentanen finanziellen Lage Kinder in die Welt zu setzen. Andere Menschen haben das nicht.

[–] Guildo@feddit.de 2 points 1 year ago

Das würde ich so nicht sagen. Da kann man nicht pauschalisieren. Ich will Armen und weniger gebildeten Menschen da auch nichts unterstellen und nicht auf das Niveau von Idiocracy zurückfallen.

[–] Spzi@lemm.ee 5 points 1 year ago

Insbesondere die wenig gebildeten Menschen bekommen viele Kinder, während die Hochqualifizierten mit dem Kinderkriegen tendenziell eher warten bzw. es sogar komplett lassen. Damit wächst der Bereich der eher wenig Qualifizierten Leute sehr stark an. Im Ergebnis “verdummen” wir somit eher

Skepsis, obwohl ich auch einen Reiz in sozialdarwinistischen Gedankenexperimenten sehe.

Es gibt ja noch viele andere Faktoren. Einer ist zum Beispiel, dass höherqualifizierte Menschen viel eher in die Lage kommen, auch Kinder anderer Menschen zu bilden (als Lehrer, Journalisten, ...). Der evolutionäre Erfolg von Bildung ist nicht an den biologischen Erfolg von Individuen gebunden.

Bildung wird eben nicht nur in der Familie übertragen, sondern kann diese Grenze überspringen. Gleichzeitig haben wir an dieser Stelle strukturelle Probleme, das funktioniert nicht gut genug:

(klar, es gibt auch Fälle, wo jemand aus solchen, familiären Verhältnissen eine gesellschaftlich gute Position ergattert. Ist aber eher die Ausnahme als die Regel)

Vermutlich müssten wir auch über Facebook-Memes und TikTok-Influencer reden.

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[–] drre@feddit.de 2 points 1 year ago* (last edited 1 year ago) (1 children)
[–] SSdtIHZlZ2Fu@feddit.de 2 points 1 year ago (1 children)

Der Taz-Link ist im Post direkt verlinkt. Den Archiv-Link habe ich kurz nach Erstellen des Beitrags korrigiert. Hier nochmal der richtige Archiv-Link: https://web.archive.org/web/20230625070408/https://taz.de/AfD-Experte-Hillje-ueber-Umfragehoch/%215939597/

[–] drre@feddit.de 2 points 1 year ago
[–] Lokiposter@feddit.de 1 points 1 year ago

Gesteht Erdogan damit nicht sein komplettes Fehlhandeln im Bezug auf seine vergangene Zinspolitik ein?

Für die Türken freut es mich natürlich.

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